Un Im gesamten ersten Jahr der COVID-19-Pandemie haben sich Vorgesetzte und Mitarbeiter:innen gleichermaßen gefragt, wann wohl „die Normalität“ zurückkäme. Inzwischen steuern wir bereits auf die zweite Hälfte des Jahres 2022 zu und viele Unternehmen haben akzeptiert, dass die Abläufe nie wieder wie vor der Pandemie sein werden und dass sie sich, wenn sie nicht untergehen wollten, entsprechend anpassen müssen. Während Arbeitgeber mit Burnout, hoher Fluktuation und enormen Fehlzeiten seitens ihrer Mitarbeiter:innen konfrontiert sind, unterstreichen aktuelle Forschungen, wie dringlich es für Unternehmen ist, die wachsende psychische Gesundheitskrise in den Griff zu bekommen, die derzeit weltweit kursiert.
„Wir stellen allgemein fest, dass das andauernde Trauma, das Menschen während der Pandemie erlebt haben, sie heute noch immer, aber auf eine weniger offensichtliche Art und Weise beeinflusst. Eine ganze Reihe von Menschen stehen angesichts des Erlebten weiterhin unter Stress“, so Jean-Baptiste (JB) Gruet, Chief Revenue Officer. „Es ist nicht jeder davon betroffen, aber ein erheblicher Anteil der Bevölkerung ist erschöpft und neigt zu Burnout.“
Diese Burnouttendenz belaste laut eines aktuellen Berichts von Indeed im letzten Jahr mehr als die Hälfte der Mitarbeiter:innen (52 %), wobei 67 % dieser Mitarbeiter:innen ihr Gefühl des Ausgebranntseins den Belastungen durch die Pandemie zuschrieben. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vermeldete, dass die weltweiten Zahlen für Depression und Angststörungen um rund 25 % gestiegen seien und sich in manchen Ländern sogar verdoppelt hätten. Eine Untersuchung der Harvard Business School ergab, dass mehr als 85 % der Mitarbeiter:innen seit Beginn der Pandemie einen Rückgang ihres allgemeinen Wohlbefindens feststellten.
Mehr als neun von zehn Arbeitnehmer:innen um die 30 sind von mentalen Gesundheitsproblemen betroffen. Angesichts der sich abzeichnenden Krisen in den Bereichen Finanzen, Klima und Politik, die sich weiterhin nachteilig auf die Stabilität der Menschen auswirken, während sie versuchen, Beruf, Privatleben und persönliche Verpflichtungen in den Griff zu bekommen, erkennen immer mehr Mitarbeiter:innen die Notwendigkeit einer besseren Work-Life-Balance und ihren Bedarf nach Unterstützung zur Verbesserung ihrer psychischen Gesundheit. Immer häufiger sehen sie den Arbeitgeber in der Verantwortung, diese Unterstützung zu leisten. Nach einer aktuellen BestColleges-Umfrage betrachten 89 % der Hochschulabsolventen 2022 die Work-Life-Balance als wichtigen Faktor bei der Jobsuche oder als Argument, um bei einem Arbeitgeber zu bleiben. 74 % der Befragten sind der Auffassung, dass die Erreichung dieser Work-Life-Balance gleichermaßen Bemühungen seitens der Arbeitnehmer:innen wie auch der Arbeitgeber erfordere. Ähnliches ergab ein aktueller Bericht von Mind Share Partners: Eine überragende Mehrheit der befragten Mitarbeiter:innen (91 %) ist der Meinung, dass der Arbeitgeber ihr psychisches Wohlbefinden durch die Firmenkultur und entsprechende Verfahren unterstützen sollte.
Die Welt befindet sich nach wie vor in einer Phase der Ungewissheit. Deshalb werden Unternehmen weiterhin auf Gegenwind bei ihren Mitarbeiter:innen stoßen, deren Ruf nach Maßnahmen zum Schutz ihrer Gesundheit lauter wird. Um diesen Forderungen nachzukommen, müssen Unternehmen auf dem neuesten Stand sein, was aktuelle Trends in Bezug auf die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen anbelangt. Dazu gehören auch Prognosen darüber, wie sich die psychische Gesundheit der Mitarbeiter:innen in Zukunft entwickeln wird, während sich die Arbeitswelt allmählich von der Pandemie erholt.
Die Zukunft der Arbeitswelt und die psychische Gesundheit der Mitarbeiter:innen
- Es wird weitere Unterbrechungen geben und sie werden häufiger eintreten. Zwar wurden Abläufe am Arbeitsplatz schon immer durch Zwischenfälle gestört, wie Naturkatastrophen, Kriege, Markteinbrüche, zivile Unruhen oder frühere Ausbrüche von Krankheiten, jedoch war die durch COVID-19 verursachte Disruption von beispielloser Kein Land der Welt blieb vom Virus verschont, und kaum jemand ist in den letzten zwei Jahren wie bisher seiner Arbeit nachgegangen. Da mittlerweile fast zweieinhalb Jahre vergangen sind, seit die WHO die COVID-19 zur Pandemie erklärt hat, möchten Unternehmen endlich damit abschließen und weitermachen. Nachdem jedoch weiterhin Varianten auftreten und die Fallzahlen und Hospitalisierungsraten wieder steigen, bekommen viele Länder zu spüren, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist. Gruet verweist auf China, wo in diesem Jahr ein Lockdown über 26 Millionen Menschen in Shanghai verhängt wurde, nachdem es zum Ausbruch einer Omicron-Variante gekommen war. Eine Warnung für all diejenigen, die hoffen, nie wieder etwas von diesem Thema zu hören.
„Wie wir gesehen haben, hat China vor Kurzem einen weiteren Lockdown verhängt. Sie dachten, es sei vorbei, ist es aber nicht“, so Gruet. „Die meisten Länder sind der Auffassung, die Lage habe sich verbessert und die Pandemie läge hinter ihnen. Dem ist aber nicht so.“
COVID-19 stellt nach wie vor eine enorme Belastung für die Gesundheitssysteme dar und greift sowohl die körperliche als auch die psychische Gesundheit an. Weitere Viren, die man für inaktiv oder unter Kontrolle hielt, erholen sich und sorgen für zusätzliche Ausbrüche. Sie greifen das geschwächte Immunsystem der Menschen an und lassen die bereits hohe Zahl an Depressionen, Angststörungen und weiteren psychischen Problemen steigen, die sich weiterhin auf den Arbeitsplatz auswirken werden.
Diese Zahlen steigen nicht nur aufgrund der Pandemie, auch andere Ereignisse wie wirtschaftliche Unterbrechungen, Umweltprobleme sowie das soziale und politische Klima gefährden das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen und werden dies auch zukünftig tun.
„95 % der schweren Fälle, die wir beobachten, stehen im Zusammenhang mit der Pandemie“, so Gruet. „Es gibt aber auch politische Unruhen wie den Fall George Floyd beispielsweise oder die Krise in der Ukraine“, fügt er hinzu. „Wenn keine Pandemie herrscht, dann ein Waldbrand oder eine Inflation, so wie derzeit in Europa, den USA und Kanada und fast auf jedem Markt der Welt. Ich denke daher, dass es weiterhin ein hohes Maß an disruptiven Ereignissen geben wird und damit einhergehend auch viele Menschen, die darunter leiden werden.“
Ein weiterer Faktor, dem Gruet das Potenzial für häufigere Disruptionen am Arbeitsplatz zuschreibt, ist die anhaltende Klimakrise. Hinzukommen die erhöhte Medienexposition der Mitarbeiter:innen in Verbindung mit diesen und anderen Katastrophen weltweit.
„Angesichts der Waldbrände in ganz Europa, der anhaltenden Dürren, Flutkatastrophen und Stürme machen sich die Menschen große Sorgen um den Planet Erde. Wir bezeichnen dies als Öko-Angst“, erläutert Gruet. „Wahrscheinlich wird es bald mehr Fälle geben, in denen Betroffene sagen werden: „Es brennt zwar nicht in meiner Nachbarschaft, an meinem Wohnort oder in meinem Land, aber ich sehe ja in den Nachrichten, was überall geschieht.“
- Mehr Mitarbeiter:innen werden mit ernsthaften psychischen Problemen zu kämpfen haben. Arbeitnehmer:innen, die während der Pandemie weiterhin ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen konnten, hatten nicht nur keine Möglichkeit, sich im Urlaub oder an erlebnisreichen Wochenenden zu regenerieren – viele konnten sich womöglich angesichts von Entlassungen oder Gehaltskürzungen kaum auf die Arbeit konzentrieren – sie hangeln sich auch weiterhin durch Katastrophen und Unterbrechungen. Gruet geht davon aus, dass viele von ihnen bald am Ende ihrer Kräfte angelangt sein werden.
„Die uns vorliegenden Fälle lassen sich in drei Intensitätsgruppen einteilen: gering, mittel und hoch. Der Großteil der Fälle, mit denen wir zu tun haben, ist Routine. Die Betroffenen stehen nicht am Rande des Zusammenbruchs oder Burnouts. Die zweite Gruppe leidet unter moderatem Stress und hat vielleicht Schwierigkeiten, bis Freitag durchzuhalten. Und dann gibt es noch die kritischste Gruppe, deren Anteil weit größer ist als in der Vergangenheit“, räumt Gruet ein. „Es gab schon immer Menschen, die unter Stress oder Depressionen litten, sich am Rande des Burnouts befanden oder Suizidgedanken hatten. Der Anteil dieser Gruppe war jedoch winzig, heute ist er enorm. Er ist nicht so hoch wie zu COVID-Spitzenzeiten im Mai 2020, aber dennoch signifikant.“
Was diese hohen Raten schwerer Fälle in der Praxis bedeuten, lässt sich an den Erfahrungen der Mitarbeiter:innen mit psychischen Problemen im vergangenen Jahr erkennen. Dem American Institute of Stress zufolge gaben ganze 94 % der Arbeitnehmer:innen an, dass sie 2021 ein ungewöhnlich hohes Maß an Stress bei der Arbeit empfanden. Ein Bericht aus dem Jahr 2021 von Deloitte ergab, dass von den befragten Arbeitnehmer:innen der Generation Z und der Millennials nahezu ein Drittel angab, sich aufgrund der hohen Stressbelastung und der Ängste infolge der Pandemie zeitweise nicht gearbeitet zu haben. 40 % derjenigen, die weiterhin arbeiteten, gaben an, „ständig unter Stress“ zu stehen, wodurch ein höheres Risiko für Fatigue, kognitive Ermüdung, emotionale Erschöpfung und diagnostizierbare psychische Probleme wie Depressionen, Angststörungen, PTSD, bipolare Störungen und Burnout besteht.1 In Verbindung mit der zunehmenden Allgegenwärtigkeit disruptiver und traumatischer Ereignisse können diese Umstände Mitarbeiter:innen an den Rand des Zusammenbruchs bringen, sofern sie nicht hinreichend gelindert oder behoben werden.
Zusätzlich zu den ungewöhnlich hohen Fallzahlen, so Gruet, sei das Ausmaß des Stresses, dem die einzelnen Mitarbeiter:innen ausgesetzt seien, beispiellos. „Die Menschen sind in großer Not. Sie leiden unter Hyperstress, ein relativ neuer Begriff, der vor COVID-19 kaum benutzt wurde“, so Gruet. Er erläutert, dass ein derart hohes Stressniveau in der Regel nach Terroranschlägen, Amokläufen in Schulen, Erdbeben und anderen stark traumatisierenden Ereignissen beobachtet werde und historisch nur einen kleinen Prozentsatz der Fälle ausgemacht habe. „Ich fürchte, dass wir es bald mit schwierigeren Fällen zu tun haben werden“, warnt Gruet. „Das muss nicht zu Suizid führen, aber es gibt einen Bereich, der sich irgendwo zwischen Stress, Depression, Burnout und Suizidgedanken bewegt.“
In einem aktuellen Bericht hat die American Psychological Association (APA) diesen Zwischenzustand als „Überlebensmodus“ bezeichnet. Eine überwältigende Mehrheit der befragten Amerikaner hatte angegeben, aufgrund von Pandemie, Inflation, Versorgungsengpässen, Ukraine-Krise, nuklearen Bedrohungen und globaler Unsicherheit unter starkem Stress zu stehen.
- Einige Mitarbeiter:innen werden mehr zu kämpfen haben als andere. Historisch bestehen bei jüngeren und marginalisierten Mitarbeiter:innen grundverschiedene Zahlen, was die Folgen schlechter psychischer Gesundheit anbelangt. Untersuchungen haben beispielsweise ergeben, dass für LGBTQIA+-, schwarze und Latinx-Mitarbeiter:innen eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie neue oder schlimmere Symptome einer schlechten psychischen Gesundheit infolge der Pandemie angeben bzw. wahrnehmen werden, etwa Angst und Depression, und dies auch für längere Zeit.2 Dies überrascht kaum, da diese Gruppen mit Blick auf ihre körperliche und geistige Gesundheit historisch mit größeren Herausforderungen konfrontiert sind. Grund sind gesellschaftliche Umstände, die sie stärker benachteiligen als andere Gruppen. Die zunehmende Verbreitung von Affenpocken fördert Homophobie und Rassismus zusätzlich und gefährdet die Gesundheit und Sicherheit der LGBTQIA+- und Schwarzen-Communitys. Diese Gruppen von Mitarbeiter:innen dürften daher weiterhin eine besonders hohe Quote in den Bereichen Depressionen, Angststörungen, Burnout und Suizidgedanken aufweisen.
Eine weitere Bevölkerungsgruppe mit Prädisposition für ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen und Symptome wie Stress und Burnout sind berufstätige Eltern und Betreuende. Laut einer 2021 von CDC durchgeführten Erhebung unter Eltern und Betreuenden wiesen beachtliche 85 % der Befragten im letzten Jahr mindestens ein Symptom für schlechte psychische Gesundheit auf, darunter Stress, Angst und Depression. In einem anderen Bericht wurde festgestellt, dass mehr als 50 % der Betreuenden Suizidgedanken hatten. Zu den genannten Stressfaktoren gehörten pandemieinduzierte Traumata, finanzielle Belastungen, Hausarbeit, der Wegfall der Betreuungsmöglichkeit für Kinder, Sorgen um die Gesundheit und Sicherheit der von ihnen betreuten Kinder, Senioren oder Menschen mit Behinderungen sowie Sorgen um das seelische Wohl der Kinder. Bei weiblichen Betreuenden war der Beschäftigungsverlust ebenfalls ein wesentlicher Stressfaktor. Der Zensus hat ergeben, dass Anfang 2021 etwa 10 Millionen Mütter in den USA keiner Tätigkeit nachgingen, ein Wert mit einem überproportional hohen Anteil nicht weißer, alleinstehender Mütter.
Frauen waren generell zu einem Großteil von pandemiebedingten Jobverlusten betroffen. Mehr als 5,4 Millionen hatten einem Bericht des National Women’s Law Center zufolge seit Februar 2020 ihren Arbeitsplatz verloren. Viele Frauen und Betreuende, die ihre Arbeit wieder aufnehmen möchten, haben weiterhin kaum Zugang zu Kinder- oder Seniorenbetreuung. Dadurch stehen sie ihren Arbeitgebern nur in begrenztem Umfang zur Verfügung und die Wahrscheinlichkeit für zusätzliche Nachteile steigt. Mitunter werden sie weniger unterstützt, erleben weniger Einbindung und Zugehörigkeit, haben schlechteren Zugang zu Behandlungsangeboten für psychische Probleme und zu Leistungen, sie sind weniger flexibel und Stigmatisierung ausgesetzt.
- Mitarbeiter:innen werden ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden weiterhin hohe Priorität einräumen und dies auch von ihren Arbeitgebern erwarten. Da Mitarbeiter:innen mit einem bislang unerreichten Maß an Stress, emotionaler Erschöpfung, Angst und den damit einhergehenden physischen Symptomen zurechtkommen müssen, sind sie bereitwilliger, darüber am Arbeitsplatz zu sprechen, vom Arbeitgeber angebotene Leistungen, Services und Programme in Anspruch zu nehmen und professionelle Hilfe zu suchen. Laut dem BerichtHealth on Demand aus dem Jahr 2021 von Mercer gab fast die Hälfte der Mitarbeiter:innen mit Zugang zu Leistungen für psychische Gesundheit an, dass sie eher bei einem Arbeitgeber blieben, der ein solches Angebot bereitstelle.
Da immer mehr Mitarbeiter:innen diese Arbeitgeberleistungen nutzen und am Arbeitsplatz freizügiger über ihre psychischen Probleme sprechen, steigt der Druck für Arbeitgeber, sich dem Thema anzunehmen. Die Ergebnisse einer Umfrage der APA aus dem Jahr 2022 zum Thema Arbeit und Wohlbefinden zeigen, dass es für einen Großteil der befragten Arbeitnehmer:innen (81 %) bei einer zukünftigen Arbeitsplatzsuche entscheidend sein wird, inwieweit der Arbeitgeber die mentale Gesundheit unterstützt.
- Mehr Mitarbeiter:innen werden ihre Funktion aufgeben und ihre Stelle kündigen. Einhergehend mit der verschärften Problematik in Verbindung mit psychischer Gesundheit und der erhöhten Aufmerksamkeit, die der psychischen Gesundheit und den damit verbundenen Anforderungen und Bedenken zukommt, wird weiterhin eine hohe Fluktuation von Mitarbeiter:innen zu beobachten sein. Gemäß einer im März dieses Jahres durchgeführten Umfrage von PwC zu den Hoffnungen und Ängsten der globalen Belegschaft (Global Workforce Hopes and Fears Survey), bei der mehr als 52.000 Arbeitnehmer:innen in 44 Ländern und Gebieten befragt wurden, plant ein Fünftel von ihnen, ihren Arbeitsplatz in diesem Jahr zu kündigen. Als Treiber dafür nannten viele das Stichwort Sinnhaftigkeit. Darunter fallen Aspekte wie das Gefühl, von Kollegen und Arbeitgeber unterstützt zu werden, authentisch sein zu können und einer erfüllenden Aufgabe nachzugehen.
Weitere Arbeitsplatzbedingungen wie Vergütung, Flexibilität, Autonomie, Arbeitspensum und Kultur haben enorme Auswirkungen auf das ohnehin angekratzte mentale Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen und veranlassen diese mitunter, den Job zu wechseln. Nach einer aktuellen Studie von FlexJobs gehören zu den Hauptgründen für einen Stellenwechsel eine toxische Kultur am Arbeitsplatz, inadäquates Gehalt und unattraktive Vergütung, schlechtes Management, fehlende Optionen für Homeoffice oder zu wenig Flexibilität sowie unangemessene Regelungen für Urlaub, Freizeit und bei Krankheit. Die gute Nachricht ist, so Gruet, dass die Arbeitgeber allmählich erkennen, dass ihre Mitarbeiter:innen Hilfe benötigen und mittlerweile überlegen, was sie als Führungskräfte und Menschen beitragen können, um das mentale Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu fördern. Für Unternehmen gibt es heutzutage vieles, das sie nicht steuern können, somit dürfte die Vornahme von Anpassungen zugunsten der gesundheitlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen entscheidend für einen weiterhin produktiven Arbeitsplatz sein.
Wie sich Unternehmen diesen Trends anpassen werden
- Unternehmen werden mehr Verantwortung für das mentale Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter:innen demonstrieren, indem sie anpassungsfähige und ganzheitliche Unterstützung für deren Wohlbefinden anbieten werden. Laut dem Employee Wellness Industry Trends Report 2022 von Wellable Labs planen 9 von 10 der befragten Arbeitgeber, ihre Investitionen in Programme für mentale Gesundheit 2022 steigern zu wollen, etwa in Resilienz- und Stressbewältigungsprogramme (76 %) sowie Achtsamkeits- und Meditationsprogramme (71 %). Sie erkennen, dass mentale Gesundheit über die klinische Unterstützung hinaus gehen kann und sollte. Zu den weiteren Programmen, die Unternehmen immer häufiger einführen möchten, gehören Peer-Support-Gruppen und Employee Resource Groups (ERGs) oder Affinitätsgruppen. Diese bieten Mitarbeiter:innen die Möglichkeit, soziale Verbindungen aufzubauen und Unterstützung von ihren Kollegen zu erhalten. Gleichzeitig können sie selbst andere unterstützen, was sich wiederum positiv auf ihre eigene psychische Gesundheit auswirkt.
- Unternehmen werden zu Hybrid- oder Remote-Arbeitsplatzmodellen übergehen. Aus dem Bericht The Future of Flexibility in the Workplace von Mercer geht hervor, dass nur wenige Arbeitgeber, die aufgrund der Pandemie flexiblere Arbeitsmodelle eingeführt hatten, diese nach der Pandemie wieder aufgeben möchten. Fast 90 % der Arbeitgeber gaben an, dass sie die flexiblen Arbeitsmodelle beibehalten oder ausbauen wollten. Der Bericht zeigt ferner, dass vor der Pandemie in nur einem von 30 Unternehmen mindestens die Hälfte der Mitarbeiter:innen remote arbeiteten, während heute fast ein Drittel der Unternehmen angibt, dass mindestens die Hälfte der Mitarbeiter:innen außerhalb des Büros arbeiteten. Dieser Umstieg ist laut einer aktuellen Studie von FlexJobs darauf zurückzuführen, dass 81 % der befragten Mitarbeiter:innen eine flexible Planung als wichtigste Voraussetzung für eine bessere Work-Life-Balance betrachten und 70 % der Auffassung sind, dass Telearbeit ihr mentales Wohlbefinden verbessere.
- Unternehmen werden mehr virtuelle Leistungen zur Förderung der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeiter:innen und Optionen für telemedizinische Dienste anbieten. Von den Arbeitgebern, die sich in der Umfrage von Wellable Labs für höhere Investitionen in Programme zur Förderung der psychischen Gesundheit ausgesprochen hatten, gaben 72 % an, diese Programme vorwiegend oder komplett virtuell anbieten zu wollen, darunter Fitnessprogramme auf Abruf, gesundheitliche Weiterbildungsprogramme und Wellness-Beratung. Zusätzlich gaben 80 % der Arbeitgeber an, ihre Investitionen in telemedizinische Dienste ausbauen zu wollen, um die Nachfrage ihrer Mitarbeiter:innen nach flexiblen Lösungen für die psychische Gesundheit zu bedienen. Gruet begrüßt die Tatsache, dass Arbeitnehmer:innen offener für die Nutzung von Ressourcen zur Förderung ihres mentalen Wohlbefindens seien und dass Arbeitgeber solche Leistungen bereitwilliger anböten, jedoch müssten die Unternehmen gewährleisten, dass die Mitarbeiter:innen zeitnah und auf eine ihren Bedürfnissen zuträgliche Art und Weise von dieser Fürsorge profitieren können.
„Mitarbeiter:innen müssen Optionen angeboten werden, wie Services per Telefon oder Video“, so Gruet. „Für Mitarbeiter:innen ist es wichtig, einfach und schnell auf das Angebot zugreifen zu können. Die Zugangsmodalitäten und die Art der Unterstützung sind entscheidend für sie, ebenso wie der Zeitpunkt. Sie brauchen die Hilfe sofort und nicht erst in ein oder zwei Wochen oder einem Monat.“
Wie Arbeitgeber diesen Prognosen gerecht werden können
- Aktiv Veränderungen vorantreiben und gegen Stigmatisierung angehen. Zwar sprechen Mitarbeiter:innen immer freizügiger am Arbeitsplatz über ihre psychische Gesundheit, jedoch fühlt sich die Mehrheit der Mitarbeiter:innen unwohl dabei und empfindet das Thema psychische Gesundheit und das Inanspruchnehmen von Hilfe als Stigma. Laut einem Bericht von McKinsey aus dem Jahr 2021 empfinden ganze 80 % der befragten Arbeitnehmer:innen Stigmatisierung am Arbeitsplatz in Verbindung mit psychischer Gesundheit. Aus einer anderen Studie geht hervor, dass mehr als 80 % der Arbeitnehmer:innen mit diagnostizierter psychischer Erkrankung dies aufgrund der vorherrschenden Stigmatisierung am Arbeitsplatz nicht kommunizieren. Um Gespräche über psychische Belastungen am Arbeitsplatz und deren Behandlung zu verbessern, wünschen sich die Mitarbeiter:innen von ihren Arbeitgebern die Schaffung einer offeneren und achtsameren Kultur am Arbeitsplatz. Laut einem Bericht von McKinsey aus dem Jahr 2021 sind 80 % der befragten Arbeitnehmer:innen der Auffassung, dass die Implementierung einer Kampagne gegen Stigmatisierung und für mehr Bewusstheit über das Thema dazu beitragen würde, Unbehagen, Unsicherheit und Scham der Mitarbeiter:innen bei der Thematisierung ihrer psychischen Gesundheit zu überwinden.
Eine effektive Methode, um Stigmata am Arbeitsplatz abzubauen, besteht darin, mit gutem Beispiel voranzugehen und positive Verhaltensweisen in Verbindung mit psychischer Gesundheit und Wohlbefinden zu demonstrieren. Dazu gehört das Verbalisieren eigener psychischer Schwierigkeiten, das Nutzen angebotener Leistungen wie Tage für psychische Gesundheit oder bezahlte Auszeiten, ein offener Umgang mit der Inanspruchnahme von Therapie-, Gesundheits- und Fitnessangeboten und das regelmäßige Überprüfen des Wohlbefindens der Mitarbeiter:innen, um ihnen Gelegenheit zu geben, ihre psychischen Bedenken zu äußern und um sicherzustellen, dass sie relevante Ressourcen nutzen und wissen, wie und wo sie darauf zugreifen können. Indem der psychischen Gesundheit in allen Bereichen des Arbeitsplatzes, einschließlich bei Besprechungen, Veranstaltungen, Schulungen und im Rahmen von Programmen, der ihr gebührende Raum gegeben wird, lassen sich Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen am besten fördern.
- Einbinden der psychischen Gesundheit in Initiativen für Diversität, Gleichbehandlung und Inklusion (DGI). Immer mehr Mitarbeiter betrachten psychische Gesundheit als DGI-Thema und wünschen sich, dass ihre Arbeitgeber das genauso sehen. Laut BestColleges legen Hochschulabsolventen bei der Abwägung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten Wert auf eine gleichberechtigte Behandlung aller Mitarbeiter:innen und die soziale Verantwortung des Unternehmens. Da bestimmte Gruppen von Arbeitnehmer:innen nach wie vor unverhältnismäßig stark von psychischen Gesundheitsproblemen betroffen sind, etwa BIPOC- und LGBTQIA+-Mitarbeiter:innen, berufstätige Eltern und Betreuende, ist es für die Effektivität psychischer Gesundheitsinitiativen maßgeblich, dass die angebotenen Leistungen, Ressourcen und Services Inklusion und Gleichbehandlung nicht entgegenstehen. Dazu muss zwingend berücksichtigt werden, auf welche Weise unterrepräsentierte oder einem höheren Risiko ausgesetzte Mitarbeiter:innen Unterstützung bevorzugt in Anspruch nehmen möchten, ob online, persönlich, in einer Gruppe oder individuell, und ob sie eher klinische, emotionale, finanzielle oder praktische Förderung brauchen. Arbeitgeber könnten auch zusätzliche Leistungen anbieten, die keine herkömmlichen psychischen Gesundheitsleistungen sind, wie Kinderbetreuung, Seniorenbetreuung, Übernahme der Kosten für geschlechtsangleichende Maßnahmen oder bezahlte Freistellung für berufstätige Eltern oder Betreuende zur Wahrnehmung von Arztterminen.
- Mehr Weiterbildungs- und Schulungsmaßnahmen über psychische Gesundheit und Wellness. Während zahlreiche Studien belegen, dass mehr Mitarbeiter:innen offener über psychische Gesundheit und die Inanspruchnahme von Hilfe sprechen, führen Wissenslücken und vorherrschende Stigmata im Bereich psychische Gesundheit dazu, dass Mitarbeiter:innen zögerlich oder unsicher sind, wenn es darum geht, betroffene Kollegen zu unterstützen. Arbeitnehmer:innen benötigen daher Zugang zu besseren Weiterbildungsangeboten zum Thema psychische Gesundheit. Dazu gehören auch Schulungen, die Aufschluss darüber geben, an welchen Anzeichen und Symptomen man eine schlechte psychische Gesundheit bei sich selbst und Kollegen erkennt, sowie Präsentationen darüber, welche Arten von Unterstützung verfügbar sind, welchen Zweck sie verfolgen und wie und wann sie genutzt werden sollten.
- Mitarbeiter:innen zeigen außerdem wachsendes Interesse an Programmen, die bessere Gesundheitsverhaltensweisen und selbstfürsorgliche Praktiken fördern. In einer von Mental Health America in Zusammenarbeit mit Flexjobs durchgeführten Untersuchung zählten die befragten Arbeitnehmer:innen die Arten der virtuell und persönlich angebotenen Programme auf, die sie sich von ihren Arbeitgebern wünschten. Genannt wurden Meditations- und Yogasitzungen, Kurse über Ernährung und Fitness sowie Webinare zu verschiedenen psychischen Gesundheitsthemen. In einer aktuellen Studie hat BestColleges zudem herausgefunden, dass sich die Hochschulabsolventen 2022 bessere Zeitmanagementfähigkeiten und Zugang zu Fitnesseinrichtungen wünschten. Als weitere mögliche Angebote wurden Programme für Financial Wellness, Raucherentwöhnung und Stressbewältigung erwähnt.
- Reduzieren beruflicher Stressfaktoren und Verbessern der Work-Life-Balance. Um Mitarbeiter:innen zu motivieren, bessere psychische Gesundheitsverhaltensweisen und selbstfürsorgliche Praktiken umzusetzen und sicherzustellen, dass diese für ihre psychische Gesundheit förderlich sind, müssen die Anti-Stigma-Initiativen von Anpassungen am Arbeitsplatz begleitet werden. Dabei geht es um die Reduzierung der Faktoren, die übermäßigen Stress oder Ängste sowie andere Krankheitssymptome begünstigen, wie hohe Arbeitslast, monotones Arbeiten, Fehlen von Anerkennung und Feedback, schlechte Kommunikation, wenig Flexibilität oder Autonomie sowie feindselige Arbeitsbeziehungen. Indem Arbeitgeber ihren Mitarbeiter:innen die Möglichkeit übertragen, Arbeitslasten besser zu steuern, geben sie ihnen das Gefühl der Handlungsfähigkeit zurück, das erforderlich ist, damit Herausforderungen als machbar wahrgenommen werden. Gleichzeitig stärken sie damit ihre psychische Gesundheit.
Der Umfrage von BestColleges zufolge sind heutige Absolventen mit Blick auf die Wahrung einer gesunden Work-Life-Balance und die Förderung von Autonomie und Kompetenz besonders an Arbeitgebern interessiert, die Resilienzfähigkeiten in den Vordergrund stellen, indem sie beispielsweise besseres Zeitmanagement, die Fähigkeit „Nein“ zu sagen und eine klare Trennung vom Beruf in Urlaub oder Freizeit fördern. Fast die Hälfte der Befragten sind der Auffassung, dass nicht lineare Arbeitstage und die Möglichkeit, Arbeitszeiten selbst zu wählen, die Work-Life-Balance ebenfalls unterstützen. Die Absolventen des Jahrgangs 2022 wünschen sich außerdem mehr Möglichkeiten für Wachstum und Entwicklung, insbesondere Weiterbildungsmöglichkeiten und Umschulungen. Eine aktuelle Umfrage von LinkedIn hat ergeben, dass 40 % der Gen Z-Mitarbeiter:innen bereit wären, auf 5 % ihres Gehalts zu verzichten, wenn sie im Gegenzug bessere Aufstiegschancen hätten.
Da immer mehr Arbeitgeber dauerhaft auf Remote- oder Hybridarbeitsmodelle umsteigen, müssen sie sicherstellen, dass alle Mitarbeiter:innen gleichberechtigt behandelt werden, unabhängig davon, ob sie remote und/oder vor Ort arbeiten. Ebenso müssen ihnen die gleichen Mittel an die Hand gegeben werden, um eine gesunde Work-Life-Balance zu erreichen und auf Angebote für psychische Gesundheit zuzugreifen, einschließlich der sozialen Unterstützung durch ihre Kollegen. In einem 2021 veröffentlichten Bericht hat Kahoot! festgestellt, dass starke Vorurteile gegen Remote-Mitarbeiter:innen vorherrschen. Sechs von zehn der befragten HR-Führungskräfte räumten ein, dass Mitarbeiter:innen, die vor Ort im Büro arbeiten, mit höherer Wahrscheinlichkeit befördert würden oder eine Gehaltserhöhung erhielten, da sie als engagierter und leistungsfähiger als ihre remote arbeitenden Kollegen wahrgenommen würden. Derartige Vorurteile werden unterstrichen durch öffentliche Aussagen hochrangiger Führungskräfte, darunter denen von Sandeep Mathrani, CEO bei WeWork. Dieses Stigma beeinträchtigt nicht nur die psychische Gesundheit der Remote-Mitarbeiter:innen, sondern sorgt auch für eine Festigung der ungleichen Verteilung psychischer Beeinträchtigungen insofern, als Frauen und farbige Mitarbeiter-Mitarbeiter, sondern sorgt auch für eine Festigung der ungleichen Verteilung psychischer Beeinträchtigungen insofern, als Frauen und farbige mit höherer Wahrscheinlichkeit von zu Hause aus arbeiten als männliche und weiße Kollegen.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen müssen sich damit abfinden, dass sie wohl nie wieder ganz in die frühere „Normalität zurückkehren“ werden. Für Arbeitgeber eröffnet sich dadurch die Chance, Arbeitsplatzstrukturen, Richtlinien und Verfahren zu verändern und eine neue Normalität einzuleiten, in der die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen Priorität hat, Ungleichbehandlung und Hindernisse für die Gesundheit ausgeräumt und die Widerstandsfähigkeit gegenüber neuen Herausforderungen am Arbeitsplatz gesteigert werden. Indem sie auf dem neusten Stand der Entwicklungen bleiben, eine offene Kultur am Arbeitsplatz fördern, ihren Mitarbeiter:innen zuhören und mit ihnen gemeinsam Initiativen für psychische Gesundheit erarbeiten, schaffen Arbeitgeber die Grundlage für den Aufbau dieser Resilienz und schützen dadurch die Effizienz und Langlebigkeit ihres Unternehmens.